Strand, Parks und Sommertrubel.

Palanga ist Litauens bekanntester Badeort – ein Treffpunkt der Reichen und Schönen, aber auch ein Magnet für Familien und Ausflügler aus dem ganzen Land. Im Sommer pulsiert hier das Leben: Die Hauptstraße ist voller Restaurants, Bars und Souvenirshops, am Strand drängen sich die Badetücher. Und doch wirkt der Ort weniger aufdringlich als manche deutschen Seebäder – vielleicht, weil er sich seinen baltischen Charme bewahrt hat.

Das eigentliche Highlight ist die Kombination aus Meer und Grün. Hinter den Dünen beginnen weitläufige Parks, die sich bis ins Zentrum ziehen. Alte Villen liegen zwischen hohen Bäumen, Spazierwege führen zum Bernsteinmuseum und weiter zur Seebrücke, die weit in die Ostsee hinausreicht. Gerade hier, im Schatten alter Kastanien und Linden, lässt sich der Trubel leicht vergessen.

Und noch etwas hebt Palanga angenehm von vielen Badeorten in Deutschland ab: Es gibt keine Kurtaxe. Der Zugang zum kilometerlangen Strand ist frei, ohne Gebühren und Schranken. So bleibt Palanga trotz seines mondänen Flairs ein Ort, den man einfach genießen kann – ob mit Sand zwischen den Zehen oder bei einem Spaziergang im ausgedehnten Grün der Parkanlagen.

Wo sich die High Society von Litauen trifft


Dünen, Fischerorte und die Grenze der Welten.

Die Kurische Nehrung ist ein schmaler, über hundert Kilometer langer Streifen Land zwischen Ostsee und Haff – kaum mehr als ein Sandrücken, und doch eine der eindrucksvollsten Landschaften Europas. Kilometerlange Strände, stille Kiefernwälder, kleine Fischerorte und immer wieder die gewaltigen Dünen machen diesen Ort einzigartig.

Im Süden liegt die Gemeinde Neringa mit ihren Dörfern - eines davon ist Nida. Hier findest sich auch ein Naturwunder: die Parnidžio Düne. Fast 50 Meter hoch erhebt sie sich über die Landschaft. Wer den Dünenkamm erreicht, blickt gleichzeitig auf Ostsee und Kurisches Haff – und steht inmitten einer Landschaft, die sich mit jedem Windstoß verändert. Oben stemmt sich eine Jean-Paul-Satre-Figur gegen den Wind (warum der dort steht, hat sich mir nicht erschlossen).

Nur wenige Kilometer weiter südlich endet der litauische Teil der Nehrung. Hier beginnt das russische Kaliningrader Gebiet. Für Reisende ohne Visum ist die Grenze unüberwindbar – die Straße hört abrupt auf, eine Schranke und von der Düne aus sichtbare Wachtürme markieren das Ende: eine symbolische Linie, die mitten durch diese schmale Landschaft verläuft und sie politisch teilt, obwohl sie geologisch und kulturell ein zusammenhängendes Ganzes ist.

Die Kurische Nehrung ist damit nicht nur Natur- und Kulturerlebnis, sondern auch ein Ort, an dem man die Bruchlinien Europas besonders deutlich spürt.

Sanddünen in geschichtsträchtiger Umgebung


Kreuzhügel bei Siauliai.

Litauen ist ein katholisch geprägtes Land - noch viel mehr als die anderen baltischen Staaten, wo es auch einen starken Einfluß der russisch-Orthodoxen Kirche gibt. Etwa zwölf Kilometer nördlich von Šiauliai liegt der sogenannte Kreuzhügel – einer der eindrucksvollsten Orte Litauens. Seit dem 19. Jahrhundert stellen Menschen hier Kreuze auf: Es ist nicht nur religiös motiivert,sondern war immer auch ein Poltisches Zeichen als Erinnerung an Gefallene , als stillen Protest, aber natürlich auch als Zeichen des Glaubens. Während der sowjetischen Besatzung wurde der Hügel mehrfach zerstört, doch immer wieder wuchs er über Nacht neu.

Heute ragen dort weit über 100.000 Kreuze in den Himmel – kunstvoll geschnitzte ebenso wie winzige, einfache Holz- oder Metallkreuze. Sie erzählen von Hoffnung, Leid und Widerstand. Seit Papst Johannes Paul II. den Ort 1993 besuchte, ist der Hügel zudem ein wichtiger Wallfahrtsort.

Wer hierher kommt, spürt schnell die besondere Atmosphäre: ein Wald aus Kreuzen, durch den der Wind rauscht – bewegend, still und einzigartig.

Glauben wird in Litauen ganz groß geschrieben


Vilnius – Schön und bitter zugleich.

Vilnius ist ein kleines Highlight unserer Tour – und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht. Die Altstadt gehört zu den größten in Osteuropa und steht seit 1994 auf der UNESCO-Welterbeliste. Barockkirchen, enge Gassen und prächtige Fassaden wechseln sich ab, überall finden sich Straßencafés und kleine Läden. Besonders lebendig war es an diesem Tag: Es ist der 1. September, in Litauen traditionell der erste Schultag nach den Sommerferien. Ganze Familien ziehen nahezu festlich gekleidet durch die Straßen, Kinder tragen Blumensträuße für ihre Lehrer, die Stimmung ist fast feierlich, man findet diese Menschen in den Restaurants und in den Straßen. Man spürt, welch hohen Stellenwert Bildung hier hat – ein schöner Kontrast zu manch anderem Land, letztlich zunehmend auch zu Deutschland.

Das zweite "Highlight" war dann weniger erfreulich: Mir wurde das iPhone aus der Tasche geklaut. Besonders ärgerlich, weil man mit einem gestohlenen iPhone heute eigentlich nichts mehr anfangen kann – es wird sofort gesperrt und später aus der Ferne gelöscht. Für mich als Besitzer ist der Verlust trotzdem ein reichliches Ärgernis. Man merkt erst dann, wie sehr man vom Smartphone abhängig ist: Kontaktmöglichkeiten, Kreditkarten, die ADAC-Karte, ganz zu schweigen von den alltäglichen Helfern wie Google Maps oder park4night. Plötzlich fühlt man sich ziemlich hilflos.

So bleibt Vilnius für uns in doppelter Erinnerung – als wunderschöne, lebendige Stadt mit kulturellem Reichtum, aber auch als Ort, an dem wir auf sehr unschöne Weise daran erinnert wurden, wie fragil unsere digitale Abhängigkeit ist.

Vilnius ist sicher eine der schönsten Städte im Baltikum


Drei Länder, drei Seelen.

Die Esten sind arrogant, schauen auf uns Letten und Litauer herab und wollen uns vorschreiben, wie wir zu leben haben. Die halten sich für Skandinavier, dabei sind es auch nur Leute wie wir. Wir mögen sie nicht.

Diesen Satz hörten wir von einem Litauer – und er klingt nach einem persönlichem Ressentiment. Doch er weist zugleich auf eine tiefere Realität hin: Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen bilden zwar eine geografische Einheit, doch ihre Geschichte, Kultur, die Sprachen und vor allem auch Selbstbilder sind erstaunlich unterschiedlich – und oft auch widersprüchlich.

Estland blickt stark nach Norden: Es gibt einen engen kulturellen Bezug zu Finnland, das ist allein schon durch Überschneidungen in der Sprache bedingt - auch wenn Estnisch und Finnisch völlig unterschiedliche Sprachen sind. Die enge Vernetzung mit Skandinavien und das Selbstverständnis als "digitale Nation" lassen viele Esten in der Selbstwahrnehmung eher nordeuropäisch als baltisch wirken - zumindest , was den nicht russischen Teil Estlands angeht. Lettland liegt buchstäblich dazwischen – geprägt von deutscher, russischer und schwedischer Geschichte. Und Litauen wiederum ist historisch eng mit Polen verbunden, war im Mittelalter sogar ein Großreich, das weit in den Osten reichte.

Diese Unterschiede schaffen bis heute Identitätsfragen und auch Rivalitäten. Während man im Westen gerne von den drei baltischen Staaten spricht, empfinden die hier lebenden Menschen diese Zuschreibung als Vereinfachung – oder gar als Zumutung. Die Esten wollen lieber als Teil Skandinaviens gelten, die Litauer verweisen stolz auf ihre polnisch-litauische Vergangenheit, und die Letten wiederum balancieren zwischen beidem, oft mit einem Gefühl des Dazwischenseins.

Das Baltikum ist keinesfalls eine homogene Region, sondern ein Mosaik historisch gewachsener Identitäten. Das macht es zwar spannend – aber auch erklärungsbedürftig.


Text Stop: Polen