Warum der KI-Boom jederzeit kollabieren könnte.
Der Hype um Künstliche Intelligenz ist allumfassend. Neue Modelle überbieten sich im Wochenrhythmus, Investoren werfen mit Milliarden nur so um sich, und jedes zweite Unternehmen behauptet, gerade die Zukunft zu erfinden. Doch hinter dieser glänzenden Oberfläche verbirgt sich eine Realität, die weit weniger spektakulär – und deutlich fragiler – ist, als es nach außen erscheint.
Denn der KI-Boom steht auf einem Untergrund, der erstaunlich brüchig ist. Die Technologie mag beeindruckend sein, doch die ökonomische Architektur dahinter wirkt wie ein Kartenhaus, das schon beim nächsten Windstoß ins Wanken geraten könnte.
Ein Boom, der auf Verlusten basiert
Beginnen wir mit der einfachsten Wahrheit: Die meisten Akteure in der KI-Branche verdienen kein Geld1. Im Gegenteil – sie verbrennen es in einem Tempo, das selbst für die Tech-Szene außergewöhnlich ist. Modelle wie GPT, Claude oder Gemini verschlingen dreistellige Millionenbeträge nur für das Training. Der laufende Betrieb kostet täglich weitere Vermögen. Trotzdem erwartet kaum jemand kurzfristige Gewinne. Das Geschäftsmodell besteht oft aus Hoffnung: Die Hoffnung auf eine Monetarisierung, die irgendwann kommen soll.
Es ist ein Boom, der sich selbst finanzieren muss, ohne echte Einnahmen vorweisen zu können. Solche Konstrukte haben in der Geschichte der Technologie nie besonders lange gehalten.
Die fehlende Eindeutigkeit: Wo bleibt die Killer-App?
Noch deutlicher wird die Fragilität beim Blick auf die Anwendungen. Trotz aller Begeisterung gibt es bis heute keine einzige KI-App, die den Massenmarkt so durchdrungen hätte wie das Smartphone, E-Mail oder soziale Netzwerke. Es gibt beeindruckende Tools, produktive Assistenten, kreative Spielereien – aber nichts, das man als unverzichtbar bezeichnen könnte.
Man erinnere sich an die Einführung des iPhones 2007: Das war ein Gamechanger - nichts in der Welt war danach mehr wie zuvor. Am Anfang stand natürlich das WWW, aber andere waren beispielsweise: Die Google-Suche (die schon längst auf dem absteigenden Ast ist), die Social Media (denen "die Mächtigen" in diesem Land derzeit gerade am Liebsten den Garaus machen würden), Cloud-Computing, GPS/Navigation, digitale Fotografie, Streaming, E-Commerce, Bitcoin.
Kurz: Die echten Killerentwicklungen waren die, die…
- eine neue Infrastruktur geschaffen haben (WWW, Cloud, GPS)
- unser Alltagsverhalten radikal geändert haben (iPhone, Social Media)
- völlig neue Wertschöpfungsketten ermöglicht haben (E-Commerce, Streaming)
- menschliche Fähigkeiten erweitert haben (digitale Fotografie u.a.)
Aber KI...?
Generative KI ist überall – und nirgends fest verankert. Sie ist hilfreich, aber austauschbar. Kaum ein Nutzer wäre verloren, wenn er morgen von ChatGPT zu Claude oder Gemini wechselt - alles ist hier austauschbar. Und austauschbare Produkte schaffen keine stabilen Märkte, sondern nur ständige Vergleiche, sinkende Margen und einen Konkurrenzkampf, der immer teurer wird.
Die gefährliche Wahrheit: Ein ganzer Boom hängt an einem einzigen Unternehmen
Doch der vielleicht riskanteste Punkt liegt nicht in der Nachfrage und auch nicht darin, dass uns die KI (angeblich) das Denken immer mehr abnimmt – sondern in der Infrastruktur. Der KI-Boom ruht auf einem einzigen technologischen Fundament: NVIDIA.
Kurzer Exkurs zu NIVIDIA:
NVIDIA – das unsichtbare Rückgrat der KI-Revolution
NVIDIA ist heute weit mehr als ein Grafikkartenhersteller. In weniger als zehn Jahren hat sich das Unternehmen zum zentralen Infrastrukturlieferanten der modernen KI entwickelt. Der Großteil aller großen KI-Modelle – von ChatGPT bis Gemini – wird auf NVIDIA-GPUs trainiert.
Der Grund dafür ist nicht nur die starke Hardware, sondern vor allem der Software-Stack CUDA, der zum De-facto-Standard für KI-Entwicklung geworden ist. Diese Kombination macht NVIDIA zum mächtigsten Akteur der KI-Ökonomie: Wer Modelle bauen will, braucht die Chips und das Ökosystem des Unternehmens.
Damit ist NVIDIA zugleich Motor und Flaschenhals einer ganzen Branche – und das ist ein seltenes Machtzentrum in der Technologiegeschichte, das die Geschwindigkeit und Richtung der KI-Entwicklung entscheidend prägt.
Nahezu die gesamte Rechenleistung, die moderne KI-Modelle benötigen, stammt von NVIDIA-GPUs. Die großen Trainingsläufe, die Supercluster, die riesigen neuen Rechenzentren – sie alle funktionieren nur mit einer Hardware-Software-Kombination, die NVIDIA über Jahre aufgebaut hat. Der gesamte Software-Unterbau "CUDA"2 ist so dominant, dass Alternativen praktisch keine Rolle spielen. Ohne diese Infrastruktur stünde die gesamte Branche von jetzt auf nachher still.
Damit wird die KI-Industrie zu einer Monokultur. Ein einziger Engpass, eine politische Krise um Taiwan (wo die Chips produziert werden), ein Preis-Schock oder eine fehlerhafte Chip-Generation – und das Wachstum könnte abrupt einfrieren. Es gibt kaum Diversifizierung, kaum Redundanz, kaum Alternativen. Und eine Branche, die sich auf einen einzigen Lieferanten stützt, ist automatisch verwundbar.
Ein China-Taiwan-Konflikt wäre der größte denkbare Schock für die KI-Branche. Nicht die Technologie würde scheitern – aber ihre Entwicklung würde abrupt eingefroren, die Kosten explodierten und der Westen wäre gezwungen, seine gesamte Halbleiterstrategie neu zu denken.
Eine überhitzte Ökonomie
All diese Faktoren treffen auf einen Markt, der bereits extrem aufgebläht ist. Die Bewertungen vieler KI-Unternehmen entbehren jeder Grundlage. Riesige Summen fließen in Produkte, die bis heute keinen stabilen Geschäftskern besitzen. Gleichzeitig explodieren die Kosten: Energie, Kühlung, Hardware, Fachkräfte, Daten.
Je länger der Boom anhält, desto mehr steigt der Druck, irgendwann Gewinne vorweisen zu müssen. Doch mit jedem neuen Modell wachsen die Ausgaben schneller als die Einnahmen. Es ist eine Wette, deren Einsatz immer größer, aber deren Ausgang immer ungewisser wird.
Ein System, das leicht kippen kann
Der KI-Boom könnte aus vielen Gründen ins Straucheln geraten: eine geopolitische Krise, die die Chiplieferkette unterbricht (Konflikt China-Taiwan, siehe oben); eine Welle geplatzter Geschäftsmodelle; eine Investorenlandschaft, die die Geduld verliert; oder ein technologischer Sprung, der die jetzige Hardware plötzlich obsolet macht.
Eine einzige Erschütterung an der falschen Stelle könnte genügen, um das gesamte System in eine tiefgreifende Korrektur zu stürzen.
Ungute Aussichten: Die Technologie bleibt – der Boom vielleicht nicht
KI ist real. Sie wird bleiben und weiter wachsen. Doch der aktuelle Boom, der mit einer Mischung aus Euphorie, Spekulation und Monokultur vorangetrieben wird, besitzt keine solide Basis. Die Frage ist nicht, ob KI langfristig eine wichtige Rolle spielt – das tut sie zweifellos.
Die Frage ist: Welche Teile der heutigen KI-Wirtschaft überleben, wenn der unvermeidliche Reality Check kommt?
Und dieser Moment könnte näher sein, als viele glauben.
In einem Folgeartikel werde ich versuchen, eine Gegenposition zu formulieren:
Warum der KI-Boom unsere Zukunft prägen wird.
Siehe auch hier: Künstliche Intelligenz – smartes Ökosystem oder fragile Blase? oder hier: Die meisten Firmen verlieren mit künstlicher Intelligenz Geld ↩︎
CUDA ist NVIDIAs proprietäre Softwareplattform, die es Entwicklern ermöglicht, die massive Rechenleistung der GPUs effizient für KI-Berechnungen zu nutzen – und damit zum zentralen Standard der modernen KI-Entwicklung geworden ist. ↩︎
