Wenn man sich einmal anschaut, wie künstliche neuronale Netze eigentlich funktionieren, wird einem klar, wie verblüffend einfach und zugleich genial dieses Prinzip ist. Doch vorab:


Bauchgefühl – eine zweite Ebene der menschlichen Intelligenz.

Das Bauchgefühl ist keine vage Eingebung, sondern das Ergebnis hochkomplexer, oft unbewusster Prozesse. Biologisch entsteht es aus dem Zusammenspiel von Gehirn, Nervensystem und Körperchemie, in dem Hormone, Neurotransmitter oder Vitamine Einfluss auf die Signalübertragung nehmen. Psychologisch ist es die Verdichtung von Erfahrungen, Erinnerungen und implizitem Wissen, die uns in Sekundenbruchteilen Orientierung gibt. Während neuronale Netze rein linear lernen und Fehler nur durch gewaltige Rechenleistung korrigieren, besitzt der Mensch durch sein Bauchgefühl eine zweite Ebene, die strukturell vorgegeben ist: ein inneres Orientierungssystem, das Ursache, Sinn und Bedeutung mit einbezieht. Maschinen fehlt diese „innere Geometrie“ – sie erkennen Muster, aber nicht, warum sie existieren.


Versuch und Irrtum – das Maschinenhirn.

Im Grunde arbeiten neuronale Netze wie unser Gehirn: Sie probieren, sie scheitern, sie korrigieren – wieder und wieder. Anfangs liegen die Ergebnisse völlig daneben, doch mit jeder Wiederholung wird der Fehler kleiner. Ganz verschwindet er nie, er nähert sich nur an – so wie auch unser Denken nie völlig fehlerfrei ist.

Ein klassisches Computerprogramm wird geschrieben, um eine ganz bestimmte Aufgabe zu lösen. Ein neuronales Netz dagegen wird so gebaut, dass es lernen kann. Über Forward Propagation tastet es sich an mögliche Lösungen heran, über Backward Propagation korrigiert es sich selbst. Dabei justieren sich die Gewichte (Weights) und Verschiebungen (Biases) automatisch, Schicht für Schicht, bis die Ergebnisse stimmen.

Je mehr versteckte Schichten (Hidden Layers) und virtuelle Neuronen vorhanden sind, desto komplexere Muster können erkannt werden. Schon heute arbeitet ChatGPT mit rund 175 Milliarden solcher Weights. Zum Vergleich: Ein menschliches Gehirn hat etwa 86 Milliarden Nervenzellen – allerdings sind diese ungleich komplexer.


Warum das Gehirn doch anders funktioniert.

Denn klar ist: Ein neuronales Netz mag äußerlich dem Gehirn ähneln, doch es bleibt eine lineare Rechenmaschine. Es kann nur durch massenhafte Wiederholungen und Rechenleistung kompensieren, was uns Menschen von Natur aus mitgegeben ist.

Unsere biologischen Neuronen sind aber nicht einfach Schalter. Sie sind lebendige, biochemische Systeme, in denen Hormone, Vitamine und Botenstoffe den Informationsfluss modulieren. Dazu kommen genetische Prägungen, die schon im Vorfeld Strukturen schaffen, in denen Denken stattfindet. Und schließlich haben wir unser Bauchgefühl – diese zweite Ebene, in der sich Körper und Geist begegnen. Sie verleiht uns ein intuitives Gespür für richtig oder falsch. Wenn wir scheitern, dann oft daran, dass Kopf und Bauch nicht zueinanderfinden.

Genau dieses" innere Maß", diese Geometrie der Ursache, fehlt den Maschinen. Sie zwar erkennen Muster – manchmal sogar welche, die wir gar nicht mehr sehen. Aber sie wissen nicht, was diese Muster bedeuten.


Faszination und Furcht.

Natürlich bin ich mit meinem frisch gewonnenen Wissen noch auf der Ebene der KI-Grundlagen. Und mich interessieren wenige die technischen Prozesse, die KI zugrunde liegen, sondern die gesellschaftlichen Auswirkungen. Trotzdem braucht es ein gewisses Grundverständnis der technischen Abläufe im Backend: Forward und Backward Propagation, ein bisschen über Weights und Bias, ein Eindruck davon, wie viele Schichten ein Modell braucht, um Sprache oder Bilder zu verstehen. Das ist alles  (noch)  Basic – weit entfernt von einem echten Verständnis von Bewusstsein oder gar Superintelligenzen.

Und doch reicht es, um zu begreifen, wie eine KI heute aus einem chaotischen Strom von Audiosignalen – aus Frequenzen und Amplituden – einzelne Laute, Silben, Wörter und schließlich ganze Sätze erkennen kann. Faszinierend, wie nah das an unserem eigenen Gehirn ist – und gleichzeitig bleibt da diese Kluft, die sich vielleicht nie schließen lässt.

Was, wenn diese Kluft sich eines Tages doch schließt? Werden Maschinen dann ein eigenes Bewusstsein entwickeln? Einen Willen? Wünsche, die über das hinausgehen, was wir ihnen vorgeben? Werden wir dann überhaupt noch die Macht haben, sie abzuschalten?

Noch sind das ferne Gedankenspiele. Doch wir sollten uns ihnen stellen. Denn eines ist sicher: Die Menschheit wird die Finger nicht vom Apfel der Erkenntnis lassen. Nie waren wir näher daran, etwas zu erschaffen, das uns gleicht – und nie war die Gefahr so spürbar, dass wir am Ende mehr verlieren könnten, als wir gewinnen.

Es ist wie im Kino, wenn sich die Musik verdichtet: Man weiß, dass gleich etwas passiert, man möchte sich die Augen zuhalten – und doch schaut man weiter. Fasziniert. Und ein wenig erschrocken.


Fazit

Neuronale Netze zeigen eindrucksvoll, wie nah Maschinen dem menschlichen Denken kommen können – und doch fehlt ihnen etwas Entscheidendes: die zweite Ebene, das Bauchgefühl, das Ursache und Sinn einbezieht. Ob KI eines Tages ein eigenes Bewusstsein entwickeln wird, bleibt offen. Möglich, dass sie uns in manchen Bereichen übertrifft, doch ob sie jemals fühlen, wollen oder verstehen kann, ist eine andere Frage.

Gerade in dieser Ungewissheit liegt sowohl die größte Faszination als auch die größte Gefahr. Die Menschheit wird weiterforschen, weiter experimentieren – und sich dabei immer tiefer in ein Feld wagen, dessen Konsequenzen noch niemand wirklich überblickt. Die Menschheit spielt aber mit dem Teufel.

Mephisto lässt grüßen.