Ich lese den aktuellen Steuerbescheid und verstehe wie immer nur Bahnhof – trotz Steuerberaterin, trotz Steuerprogramm und was so dazu gehört. Einmal im Jahr opfere ich nutzlos Stunde um Stunde, um nachher doch mit dem Gefühl eines unidentifizierten Betrügers dazustehen. Und dabei fällt mir eine kleine Kurzgeschichte ein, um meiner Frustration ein Ventil zu verschaffen …

Ich bin davon überzeugt: Wenn Dante die Steuererklärung gekannt hätte, wären es nicht neun Kreise der Hölle gewesen. Sondern sieben Anlagen der Einkommensteuererklärung.


Der Kettensägenkönig im Formularwald - Eine deutsche Behördenballade

Der argentinische Präsident Javier Milei macht einen Deutschlandbesuch. Als er in Berlin landet, fragt er zuerst:

"Wo ist der Eingang zum Staat? Ich möchte ihn abbauen."

Man zeigt nach links: Ein graues Gebäude mit der Aufschrift "BUNDESAMT FÜR DIE VERWALTUNG DER VERWALTUNGEN". Mileis Augen leuchten grellrot wie die LED an einer fabrikneuen Motorsäge.


Kapitel 1 — Das Monster aus Papier

Drinnen riecht es nach Toner, Angst und Thermoskannen mit Kaffee von 1987. Eine Beamtin hebt ihren Kopf – ohne wirklich geradeauszublicken: "Nummer ziehen."

Milei: "Ich habe ein Mandat des Volkes."

Beamtin: "Nummer ziehen."

Er zieht Nummer 457. Aufgerufen wird 12. Milei murmelt: "Das ist kein System. Das ist Folter bei laufender Heizung."

Er startet die Kettensäge.

Der Display des Nummernsystems friert ein.

Ein erster kleiner Sieg.


Kapitel 2 - Ordnungsamt: Der Antrag auf Lärm

Milei schultert seine Kettensäge, um damit das nächste Formularmonster zu bekämpfen, als ein Mann mit Warnweste ihn stoppt: "Halt! Sie dürfen das Gerät nicht führen."

"Warum nicht?", fragt Milei verwirrt. "Ich bin hier, um euch von der Verwaltung zu befreien!"

Der Mann räuspert sich: "Das ist ein motorbetriebenes Werkzeug. Dafür brauchen Sie eine Drehgenehmigung."

Milei starrt ihn an. "Eine Drehgenehmigung … für eine Kettensäge?"

Der Ordnungsamtsmitarbeiter erklärt fachlich: "Jede Rotation im öffentlichen Raum ist genehmigungspflichtig. Sonst könnte jeder einfach Kreise drehen wie er will."

Er überreicht Milei einen Vordruck: Formular 27c: Antrag auf Rotationsbetrieb Ein Hinweis in Fettdruck: Vor Ausfüllen Kopie in fünffacher Ausfertigung erstellen.

Vier Tage später erscheint Milei wieder im Ordnungsamt, der Antrag sorgfältig auf einen USB-Stick gezogen – den übergibt er dem Aktenverweser. Der zieht sich die PDF-Datei auf seinen Computer, druckt sie anschließend aus um sie dann auf den Scanner zu legen und einzuspannen. Die auf den Rechner gezogene PDF-Datei legt er sorgfältig auf den USB-Stick zurück und reicht ihn Milei: "Die PDF-Datei bekommen Sie zu unserer Entlastung zurück"

Milei hebt die Säge, doch der Beamte sagt streng: "Das ist jetzt noch viel verbotener als vorher." Er entscheidet sich, fürs Erste gar keine Kreise mehr zu drehen.

Die Säge vibriert beleidigt.


Kapitel 3 – Straßenverkehrsamt: Der Online-Fax-Termin

Um die Kettensäge öffentlich nutzen zu dürfen, braucht man einen Motorsägenführerschein. Milei will online einen Termin vereinbaren.

Die Website teilt mit: "Bitte senden Sie zur Aktivierung des Onlinezugangs ein Fax an die angegebene Nummer."

Milei sucht die Faxnummer. Die Website sagt: "Die Faxnummer erhalten Sie nach Aktivierung des Onlinezugangs." Ein Endlosschleifen-Perpetuum-Bürokratikum.

Milei ruft an: "Gibt es irgendeine Möglichkeit, ohne Faxgerät an die Faxnummer zu kommen?"

Am Telefon: "Nein, wir sind doch digital!"

Er blickt stumm auf die Säge.

Die Säge blickt stumm zurück.

Der Server stürzt ab.


Kapitel 4 — Operation Bierdeckel

Im Kanzleramt trifft Milei den Amtsträger mit der größten Stapelhöhe an Papier vor sich – den Kanzleramtsminister. Milei legt ihm einen Bierdeckel hin: "Hier. Fertige Steuerreform."

Der Beamte nimmt den Deckel, betrachtet ihn fachmännisch: "Das ist kein amtlicher Bierdeckel. Es fehlt die Zulassung der Formularbehörde." Er holt einen 68-seitigen Antrag zur Erteilung einer Bierdeckelzulassung hervor.

Milei antwortet nicht. Er drückt nur sanft am Gashebel seiner Kettensäge. Das Geräusch übertönt sämtliche Faxgeräte zwischen Kiel und Berchtesgaden. Und die Schmerzensschreie des Beamten, der um seine Pension fürchtet.


Kapitel 5 — Der Rundfunkbeitragsdämon

Milei fährt mit der Bahn nach Köln, hier soll es einmal im Jahr monatelang lustig zugehen. Nach einer Verspätung von 23 1/4 Stunden wegen eines vor vier Jahren entdeckten Weichenschadens auf einer nicht mehr befahrenen Nebenstrecke im Bayerischen Wald sitzt er in einem riesengroßen Gebäude fest. So groß, dass es sogar das zukünftige Kanzleramt in Berlin übertrifft. Vor dem Eingang eine Neon-Schrift: "ARD ZDF Deutschland­radio Beitrags­service". Milei tritt ein.

Beim Besuch der Rundfunkanstalt scheidet ihm ein Wesen in Anzug und Krawatte den Weg ab: "Zahlen bitte."

Milei: "Ich habe gar keinen Fernseher."

"Dann zahlen Sie für die Möglichkeit, einen zu besitzen."

"Ich wohne im Hotel!"

"Dann zahlen Sie für jedes Zimmer."

Milei hebt die Säge. Der Dämon wischt sich die Schweißperlen aus dem GEZ-Formular. Der Dämon zuckt kurz: "Ich mache eine Ausnahme. Nur dieses eine Mal. Bitte gehen Sie."


Kapitel 6 — Die Flucht

Nach 14 Stunden, 22 Formularen und 412 Faxgeräuschen ruft Milei aus: "Ich habe den Drachen gesehen! Er hatte Büroklammern als Zähne und DIN-A4-Blätter aus Recyclingpapier als Schuppen!"

Milei eilt zurück zum Flughafen. Die Anzeigetafel für Abflüge zeigt: "Köln – Buenos Aires voraussichtlich 3 Jahre Verspätung."

Er hebt die Kettensäge: "Ich fliege im Handgepäck." Er fräst sich durch das Terminal, hebt ab und gleitet davon – wie ein wütender Engel der Deregulierung.

Milei hat die Hölle gesehen.


Epilog — Der Deckel bleibt

In Berlin liegt ein Bierdeckel auf einem Schreibtisch. Darauf stehen fünf Worte:

"Steuern: Zehn Prozent, fertig. Prost."

Ein Referent setzt gerade an, einen Evaluationsausschuss dafür zu bilden. Der amtierende Bundeskanzler schlägt die Schaffung eine Behörde zur Behördenabschaffung vor. Die SPD und die Grünen protestieren. Dann protestiert auch die AfD und nun finden auch die SPD und die Grünen eine Behörde für Behördenabschaffung gut – allerdings nur mit dreifacher personeller Besetzung. Es wird nach einem Baugrund für die Bürogebäude gesucht. Glücklicherweise kann der Neubau nicht wie geplant stattfinden, weil am geplanten Standort eine seltene Käferart entdeckt wurde, die nicht bei der Paarung gestört werden darf.

Zum Ausgleich werden 20.000 Bäume für einen Solarpark gefällt. Um zu verhindern, dass diese seltene Käferart demnächst dem Klimawandel zum Opfer fällt.

Deutschland ist wieder sicher.

Bürokratie als letzte große deutsche Kulturleistung.

Fortsetzung folgt. Aber nicht mehr in Deutschland.