Protokoll einer Nacht in Lappland – aufgezeichnet von Mzztl, Tochter des Windes
Ich bin Mzztl. 3,4 Millimeter groß, geboren in einem modrigen Tümpel, irgendwo zwischen Rentierknochen und Plastikmüll. Ich bin eine Mücke – aber nicht irgendeine. Ich bin die 27. Generation einer Linie, die sich dem feinen Kunsthandwerk des menschlichen Leidens verschrieben hat.
Meine Mutter war berüchtigt. Sie stach durch Jeans. Mein Vater war ein Mythos – man sagt, er habe mal einen Angler siebenmal in die gleiche Wade gestochen, während der schlief. Ich trete in große Fußspuren. Also eigentlich in sehr kleine. Aber ihr versteht schon.
Meine Bühne: ein windstiller Abend in Nordnorwegen. Zwei Deutsche im Wohnmobil, eine schläft, der andere kratzt sich – Jackpot. Ich spüre es: Das wird eine Nacht für die Geschichtsbücher.
21:47 Uhr – Landeanflug. Eine zart verschwitzte Wadenlandschaft entfaltet sich unter mir wie ein schlafendes Gebirge. Ich bin aufgeregt. Mein Rüssel zittert. Ich injiziere mein Meisterwerk: Eine sorgfältig komponierte Mischung aus Blutverdünnern, Vasodilatatoren – und einem molekularen Mittelfinger an das menschliche Immunsystem. Ich weiß, was jetzt kommt. Nicht sofort. Morgen. Vielleicht übermorgen. Der Juckreiz.
Warum ich das tue? Weil ich es kann. Weil es geht. Und – ja, ich gebe es zu – weil es mich erfüllt.
Nicht der Stich ist das Ziel. Sondern das, was folgt: das Winden, das Kratzen, das hilflose Suchen nach der Quelle des Unheils. Ich nenne es die Post-Stich-Symphonie in Histamin-Moll. Und ich bin ihre Komponistin.
22:12 Uhr – Der Mensch erwacht. Klatscht in die Dunkelheit. Zu spät. Ich bin längst weitergezogen. Fünf Stiche, vier Liter Freude. Ich höre, wie er „Scheißviecher!“ murmelt. Ich fühle mich geehrt.
Denn tief in meinem winzigen Herzen weiß ich: Ich bin kein Parasit. Ich bin eine Lehrmeisterin. Ich lehre Achtsamkeit. Dankbarkeit. Wachsamkeit.
Und Juckreiz.
Fortsetzung folgt. Die ganze Nacht...