Südlich von Oulu gibt es ein weitgehend schwedischsprachiges Gebiet, alle Schilder sind zweisprachig. Die Region Österbotten ist ein Relikt aus der Zeit vor 1809, als ganz Finnland schwedisch war. Danach wurde es bis nach dem ersten Weltkrieg zum Teil des russischen Zarenreichs. Im zweiten Weltkrieg schloss man sich aus Überlebensgründen den Deutschen an, um dann kurz vor Kriegsende auf die russische Seite zu wechseln. Finnlands Geschichte ist komplex und eigentlich ist Finnland erst seit dem zweiten Weltkrieg ein eigenständiges Land.


Schweigen ist Gold – oder: Warum Finnen nicht grüßen

Je weiter wir durch Skandinavien reisen, desto auffälliger wird ein kleines, aber feines Detail: Die Sache mit dem Grüßen (mit der Kontaktaufnahme überhaupt).

In Schweden und Norwegen ist es ganz selbstverständlich: Man begegnet jemandem auf dem Weg, beim Tanken, am See oder auf dem Campingplatz – ein kurzer Blick, ein Nicken, vielleicht ein freundliches „Hej“ oder „God dag“. Und fast immer kommt etwas zurück. Nicht überschwänglich, aber offen, zugewandt, freundlich.

Dann Finnland. Hier grüßt man nicht. Noch schlimmer: Man schaut weg, wenn man gegrüßt wird. Nicht aus Unhöflichkeit – im Gegenteil. Es ist eher eine stille, tief verankerte Form von Respekt. Man lässt einander in Ruhe. Kein Blickkontakt, keine Belästigung durch Worte. Wer in Finnland auf Small Talk hofft, muss schon in ein Boot steigen, wo man dann gemeinsam schweigt.

Der finnische Kulturwissenschaftler Osmo A. Wiio sagte einmal augenzwinkernd:

Ein Finne kann mit einem anderen Finnen in der Sauna sitzen, drei Stunden lang schweigen – und am Ende sagen: Das war ein gutes Gespräch.

Uns hat das anfangs irritiert, dann amüsiert – und irgendwann haben wir es verstanden. In Schweden fühlt man sich schnell willkommen, in Norwegen wird man locker mitgenommen – und in Finnland darf man einfach sein, ohne etwas leisten oder zeigen zu müssen. Ein Land, das dich mit Schweigen umarmt. Auch eine Form von Herzlichkeit.


Vom Inland zurück ans Meer

Von Oulu aus zieht es uns zunächst wieder ein Stück ins Landesinnere – nach Seinäjoki. Die Stadt ist heute ein regionales Zentrum für Kultur und Bildung, architektonisch bekannt vor allem für das Ensemble des finnischen Architekten Alvar Aalto. Doch wir schauen uns das Zentrum nicht an - uns treibt es bald wieder Richtung Küste, nach Kristinestad (finnisch: Kristiinankaupunki).

Die Landschaft unterwegs? Weit, flach, waldreich – eine endlose Abfolge von Birken, Kiefern und kleinen Seen. Schon nördlich von Jyväskylä dominiert der Wald, südlich von Rovaniemi kommen zunehmend Felder hinzu. Österbotten rund um Oulu gilt als eine der flachsten Regionen Europas – sogar flacher als viele Gegenden in den Niederlanden. Entsprechend verlaufen die Straßen oft schnurgerade durch die Landschaft. Wer auf den Hauptverbindungen bleibt, erlebt Finnland als ein weites Land in sehr ruhigem Rhythmus - oder anders: Man kämpft beim Autofahren gegen das Einschlafen an.

Kristinestad schließlich ist ein kleines Juwel: Direkt an einer Bucht der Ostsee gelegen, empfängt uns eine fast vollständig erhaltene Altstadt aus ein- bis zweigeschossigen Holzhäusern – viele davon in warmen Gelb- und Rottönen gestrichen, noch dazu erscheint das alles authentisch und nicht auf Tourismus ausgerichtet. Die Stadt wurde 1649 gegründet und zählt heute rund 6.500 Einwohner. Besonders sehenswert: Die große Holzkirche von 1700 mit freistehendem Glockenturm, ein altes Schulhaus aus dem 18. Jahrhundert – und eine kleine Windmühle am Stadtrand, die den historischen Charme perfekt abrundet. Kristinestad war übrigens die erste Stadt Finnlands, die sich der internationalen Bewegung der Cittàslow („Lebenswerte Städte“) anschloss – und das spürt man: ruhig, entschleunigt, gepflegt. Kristinestad ist Finnland zum Durchatmen.

Holzkirche in Kristinestad


Holz, Fels und Stille

Rauma ist nicht nur der Ort, an dem wir – nach elf Wochen Reise – endlich einen Friseur für Frauen finden. Es ist vor allem eine Stadt mit einem der schönsten Altstadtkerne ganz Finnlands: Die Vanha Rauma gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und besteht aus hunderten, sorgfältig restaurierten Holzhäusern, die teils noch aus dem 18. Jahrhundert stammen. Kopfsteinpflaster, verschlungene Gassen, blühende Vorgärten – alles wirkt wie aus der Zeit gefallen, aber zugleich voller Leben. Allerdings auch viele Touristen (so, wie wir...)

Holzhäuser in Rauma

Weiter südlich, bei Naantali, finden wir einen kleinen, ruhigen Campingplatz – abseits aller Hauptstraßen, eingebettet zwischen Wald und Wasser. Ein Ort zum Durchatmen, bevor es weitergeht in den finnischen Schärengarten.

Wir setzen mit zwei Fähren über – zunächst auf die kleine Insel Pulkalla, dann weiter nach Storlandet. Die zweite Überfahrt zählt für uns zu den eindrucksvollsten der ganzen Reise: Ein Labyrinth aus Inseln und Wasseradern, glattgeschliffene Felsen wie schlafende Robben, dazwischen meist rote Holzhäuser mit weißen Fensterrahmen, still daliegende Wälder und das endlose Spiel von Licht, Wind und Wellen. Der Schärengarten zeigt sich hier von seiner sanften, fast meditativen Seite.

Mit der Fähre durch den Schärengarten

Unser Stellplatz liegt nur ein paar Schritte vom Ufer des Bredviken entfernt. Das Wasser ist klar wie Glas, unbewegt, als hielte es den Atem an. Kein Motor, kein Straßenlärm – nur Stille, unterbrochen vom leisen Ruf eines Vogels und dem kaum hörbaren Plätschern der eigenen Gedanken. Es ist einer dieser seltenen Orte, an denen alles zur Ruhe kommt – außen wie innen.

Am Ufer des Bredviken


Lebenshaltungskosten in Skandinavien – wirklich so teuer?

Skandinavien gilt als teuer – besonders Norwegen steht im Ruf, preislich alles zu sprengen. Doch stimmt das wirklich? Nach rund drei Monaten unterwegs haben wir unsere ganz eigenen Erfahrungen gemacht:

  • Schweden: In etwa auf deutschem Niveau
  • Norwegen: Rund ein Drittel teurer
  • Finnland: Tendenziell günstiger als Deutschland

Hier einmal als Übersicht:

KategorieDESENOFI
Lebensmittel100 %100 %130–140 %90–95 %
Restaurant100 %110–120 %150 %100 %
ÖPNV / Diesel100 %110 %130–150 %90–100 %
Supermarkt-Gesamtkorb100 %100 %130 %90 %
Freizeit, Kultur100 %110 %130–140 %95–100 %
Durchschnitts-Netto¹ca. 2.800–2.900 €ca. 2.800–2.900 €ca. 3.800–4.000 €ca. 3.000–3.100 €

¹ gerundet, abhängig von Quelle, Beruf, Steuersystem und Wechselkurs.

Das ist das, was auf Reisende zukommt. Doch rechnet man die Wohnkosten mit ein, verschiebt sich das Bild nochmals deutlich:

In Schweden oder Finnland bekommt man ein kleines, aber solides Haus ab etwa 50.000 € aufwärts, wenn man nicht gerade in Malmö, Göteborg oder Stockholm wohnen will. In Norwegen liegt die Einstiegshürde etwas höher, aber immer noch weit unter deutschem Niveau. Und der Staat langt hier bei Grundstück- und Hauskäufen nicht so unverschämt zu wie der deutsche Fiskus.

Spätestens wenn man das in die Lebenshaltungskosten einbezieht, wird klar: Leben in Skandinavien muss keineswegs teurer sein – im Gegenteil. In Schweden und Finnland, mit etwas Abstrichen auch in Norwegen, kann es unterm Strich sogar günstiger sein als in Deutschland; wenn man eine Immobilie besitzt, sogar deutlich billiger.


Einkaufen in Skandinavien – anders, als wir es kennen

Etwas fiel mir in Skandinavien immer wieder auf: Einkaufen funktioniert hier ein wenig anders. In deutschen Supermärkten ist man an eine gewisse Logik gewöhnt – die vertraute Struktur, bei der man genau weiß, wo was steht. Hier dagegen wirkt es oft, als hätte man die Ware einfach dort ins Regal gestellt, wo gerade Platz war. Die Folge: Man läuft mehrmals quer durch den Laden, bis man alles beisammen hat.

Was es fast gar nicht gibt, sind kleine, spezialisierte Lebensmittelgeschäfte. Einen Metzger habe ich nirgendwo gefunden, und unabhängige Bäckereien sind eine seltene Ausnahme. Selbst in den Supermärkten fehlt meist der separate Fleisch-, Fisch- oder Wurststand – und einen Backstand habe ich überhaupt nicht gesehen.

Positiv: Supermärkte liegen nicht ausschließlich in großen Gewerbegebieten am Stadtrand, sondern oft auch mitten im Zentrum.

Das Angebot selbst ist allerdings sehr stark auf Fertigportionen ausgerichtet – ob Käse, Fleisch oder Gemüse, vieles ist bereits abgepackt und in Folie eingeschweißt. Selbst Salat wird häufig portionsweise und folienverpackt verkauft.

Man könnte daraus schließen, dass frische, unverarbeitete Lebensmittel hier eine kleinere Rolle spielen – und vieles industriell vorgefertigt ist. Schade eigentlich. Aber ich fürchte, diese Entwicklung wird in Deutschland nicht anders verlaufen.


Fazit der Skandinavien-Tour: Wo war es am schönsten?

Unsere bisherige Route führte uns durch Schweden hinauf nach Nordnorwegen und von dort durch Finnland zurück. Dabei haben wir ganz unterschiedliche Landschaften erlebt – und bewusst einen Bogen um größere Städte gemacht. Denn städtisches Gewusel haben wir auch zuhause genug.

Zwei Regionen haben uns besonders berührt – auf ganz unterschiedliche Weise:

Nordnorwegen beeindruckte mit seiner wilden, fast archaischen Schönheit. Kaum besiedelt, rau, herb – und doch voller Magie. Eine Landschaft, die nicht gefallen will, sondern herausfordert.

Südfinnland dagegen war das genaue Gegenteil: Das Schärenmeer mit seinen sanft gerundeten Felsen, den roten Holzhäusern und dem allgegenwärtigen Wasser war wie ein Gegenmittel zur Unruhe. Ein Ort zum Durchatmen, zum Stillwerden.

Würde ich auswandern – was noch immer nicht völlig abwegig ist – würde ich wohl ein Zuhause irgendwo in Mittelschweden suchen. Oder vielleicht sogar in Nordschweden: Trotz langer, dunkler Winter locken dort der Schnee, die klare Luft und dieses unvergleichliche Licht, das den Himmel manchmal in Farben taucht, die man nie wieder vergisst.

Lycksele wäre vielleicht so ein Platz, wo es mich hinziehen würde. Oder vielleicht doch Vardø - nur die Harten kommen in den Garten...


Helsinki

Um größere Städte machen wir in der Regel einen großen Bogen. Helsinki ist eine Ausnahme – nicht zuletzt, weil hier die Fähre nach Tallinn ablegt. Wir nutzen die Gelegenheit, um zumindest ein touristisches Highlight mitzunehmen: die Temppeliaukio-Kirche, auch bekannt als "Felsenkirche".

Sie wurde Ende der 1960er-Jahre eröffnet und direkt in einen massiven Granitfelsen hineingebaut. Das Tageslicht fällt durch ein kreisrundes Oberlicht auf den rohen Fels und den schlichten Innenraum, wodurch eine besondere Mischung aus Monumentalität und Ruhe entsteht. Die Akustik soll außergewöhnlich sein, so dass die Kirche oft für Konzerte genutzt wird.

Mitten im Stadtviertel Töölö gelegen, ist sie nur wenige Gehminuten vom Zentrum entfernt – und ein schönes Beispiel dafür, wie moderne Architektur und finnische Naturmaterialien miteinander verschmelzen können.

Temppeliaukio-Kirche in Helsinki


Weiter ins Baltikum

Die Fähre ist gebucht – von Helsinki geht es weiter nach Tallinn. Vor uns liegen neue Eindrücke und unbekannte Wege: Estland, Lettland, Litauen und schließlich Polen.

Wer mag, kann uns gern weiterhin auf unserer Reise begleiten – hier im Blog.

Stille Mahnung im Café - so aktuell in diesen Zeiten