Zum Jahreswechsel einmal etwas ganz persönliches:

Ich bin ein mittlerweile ein Graukopf und seit rund zehn Jahren bewege ich mich im kreativen Milieu, entwickele Webseiten und biete bestimmte Dienste rund um drei Computerprogramme an. Ursprünglich jedoch komme ich beruflich aus einer Ecke, die rein gar nichts mit Gestaltung oder gar Computer zu tun hat. Kreativität war hier trotzdem gefragt, tagtäglich.

Eigentlich bin ich im Medizinbetrieb groß geworden und habe jahrelang mit Leib und Seele für die Krankenpflege gebrannt. Ich habe eine Ausbildung an einer der besten Schulen Deutschland genossen - eine Ausbildungsstätte, die man vor ein paar Jahren aus politischen Gründen leider so gut wie platt gemacht hat, auch wenn diese Schule so manchem pflegewissenschaftlichen Studiengang hätte standhalten können (Profis wissen mit dem Stichwort "Hollyschule" etwas anzufangen...). Am Ende bin ich in der Alltagspraxis dieses Berufes gelandet und habe mich jahrelang gefragt, wozu ich diese Ausbildung überhaupt gemacht hatte. Nur wenig von dem, was ich gelernt hatte, war in der harten Wirklichkeit wiederzufinden. Das waren existentielle Fragen, die sich alle meine Kollegen stellten und so ist es kein Wunder, dass Pflegekräfte diesen Beruf im Schnitt nach 5 bis 6 Jahren wieder verlassen. Man halte sich das einmal vor Augen, was das für eine Ressourcenverschwendung ist!

Ich selbst habe so lange für diesen Beruf so lange gebrannt, bis ich ausgebrannt war. 2004 war Schluss damit, es ging nicht mehr. Ich arbeitete im Nachtdienst eines kleinen Krankenhauses und hatte damals den Nachtschicht über Weihnachten und Neujahr zu bewältigen. An jenem Weihnachten war ich als einzige professionell ausgebildete Pflegekraft für 104 Patienten zuständig. Sicher, ich hatte die Unterstützung von drei unausgebildeten Studenten (ein Medizin-, ein Theologie- und ein Architekturstudent). Sicher, diese studentischen Kollegen waren nicht die unengagiertesten, aber Verantwortung trug ich aber ganz alleine - noch dazu hatte ich die 12 Patienten meiner eigenen Station, einer "Möchtegern-Wachstation" zu überwachen und zu versorgen.

Ein Ding der Unmöglichkeit.

Die Tagdienstschicht meiner Station war übrigens am nächsten Morgen stinksauer, weil ich keinen meiner 12 Patienten gewaschen hatte und sie das selbst erledigen mussten - und das, obwohl Weihnachten war und sie auf einen ruhigen Frühdienst hofften. Soviel zur Professionalität jener, die den Absprung aus einem Beruf nie schafften, für den sie schon lange ihr Ethos verloren hatten. Hauptsache durchkommen. Mit Professionalität hatte das nichts zu tun. Und mit Zufriedenheit auch nicht.

Ich hätte damals umgehend kündigen sollen, aber ich schleppte mich noch ein paar Monate durch bis es zum endgültigen Eklat kam. Ich war nicht nur am Anschlag, ich war weit darüber hinaus und habe noch jahrelang mit den Folgen dieser Überforderung zu kämpfen gehabt. Der Pflege bin ich trotz meiner kompletten Neuorientierung in gewisser Weise treu geblieben - zwar arbeite ich nicht mehr in diesem Bereich, aber ich bin an den Entwicklungen in diesem Beruf immer interessiert geblieben. Das Schlimme jedoch:

Die Arbeit in der Pflege ist mit den Jahren keinen Deut besser geworden. Im Gegenteil: Spätestens seit der Einführung der DRGs (einem neuartigen und ausschließlich an Wirtschaftlichkeit orientierten Abrechnungsmodus) rutscht die Pflege mit zunehmender Rasanz in die Katastrophe. Jeder Entscheidungsträger in Politik und Gesundheitswesen weiß das. Und tut nix.

Für mich persönlich war das Ende in der Pflege jedoch eine Chance und ich begann, das was ich bislang nur hobbymäßig machte, professionell anzubieten: Ich gestaltete und erstelle Webseiten, ich befasse mich mit Informationsmanagement auf dem Computer und letztlich schrieb ich sogar ein paar Bücher rund um meine Arbeitsthemen. Und das mache ich, mit Verlaub gesagt, gut. Es war eine steile Lernkurve, denn ich war Quereinsteiger, hatte ungeheuer viel zu lernen und musste mich irgendwie zurechtfinden. Aber es funktionierte.

Ich verstehe jeden, der für sich eine individuelle Lösung sucht, den Pflegeberuf an den Nagel hängt und seinen persönlichen "Pflexit" vollzieht. Es gibt ein Leben nach der Pflege - je früher, desto besser. Und wer trotzdem bleibt, wird ein hartes Leben haben. Oder abstumpfen wie so viele andere auch.